Als wir vor drei Jahren im Hohen Norden der Finnmark unterwegs waren, um zum Aufgang der Fliegenfischer-Saison dem Atlantischen Großlachs an den legendären und mächtigen Flüssen am Nordkap nachzustellen, war das Wetter und die Schneeschmelze und der Wasserstand im Juni so unberechenbar, wie es eben oft das harte Los des Lachsanglers ist. Wir zogen uns für einige Tage von den angeschwollenen Flüssen und von der Küste zurück und kampierten irgendwo im rauen Hochland. Diese gottverlassenen und baumlosen und windgepeitschten, von Gletschern abgeschliffenen Granitberge gehören zu den trostlosesten Landschaften des Nordens, in denen nur genügsame Rentiere und das zähe Naturvolk der Samen überleben können auf ihren langen Wanderungen.
Aber das tiefe schwarze Wasser des einsamen Bergsees, an dem wir unser Lager eher wahllos aufgeschlagen hatten, war die Heimat der größten Köcherfliegen, die ich jemals gesehen hatte. Es dauerte nicht lange und als sich am Abend der Wind gelegt hatte, fingen meine tschechischen Freunde und ich die wohlgenährtesten und feistesten Äschen des Kontinents, während auf der stillen Oberfläche des Sees die riesigen geschlüpften Fliegen entlangbrummten und Furchen auf dem Wasser zogen wie Flussdampfer.
Schnell banden wir neue Tschechische Nymphen auf Hakengröße 8 und 6 und in den Farben steingrau, sandgelb und moosgrün. Am nächsten Abend kam der baumlange Milosh, der weit in den unergründlichen See hinausgewatet war, mit einem Fisch zurück der zuerst aussah wie ein großer Weissfisch, als er ihn neben dem Lagerfeuer ablegte um sich aufzuwärmen. Es war eine riesige fette Äsche. Prächtig gefärbt und mit reichlich schwarzen Tupfen auf den Flanken, gefangen mit der selbstgebundenen Nymphe, die eine schlüpfende Riesen-Köcherfliege nachahmte und am Einlauf des Sees, in den ein schnellfließender Fluss mündete. Ich klappte mein Schweizer Multi-Tool auf, an dem es eingravierte Messziffern in cm und inch gibt, da sonst kein Maßband aufzutreiben war und legte das Eisen mehrmals an: Gute 65 cm lang!
Dieser Abend war wieder ein „Gitarren-Abend“ und wir machten uns über die mitgebrachten Vorräte an tschechischem Bier und schwerem spanischen Rotwein her. Wir waren durstig in der trostlosen Einsamkeit und entschlossen, keine vollen Flaschen wieder zurückzutragen. Unser Fliegenfischer-Veteran und Altmeister Jaromir stimmte bereits die abgegriffene Gitarre und sang sich am Lagerfeuer ein, während ich noch verzweifelt versuchte, mit meiner alten Spiegelreflex und im schwindenden Licht des Polarsommers einige Aufnahmen von der Äsche zu schießen. Ein Blitzgerät hatte ich nicht dabei und auch kein Stativ für den empfindlichen Diafilm, aber wenigstens ein unterbelichtetes Bild gelang mir noch mit der Äsche neben einer Original Pilsner Urquell Bierdose als untrüglichen Größenmaßstab.
Am nächsten Morgen sah ich die übergroße Rückenflosse der Äsche an einer verkrüppelten Birke neben dem Zelt zum Trocknen angenagelt, wie eine Fahne im Wind. Der Rest des Fisches war während der durchzechten Nacht in der Bratpfanne gelandet, zusammen mit dem lachsrosa Fleisch der übrigen Äschen, die nur knapp einen Kopf - also etwa 10 cm kleiner waren. Aber ich hatte bei dem tief rubinroten spanischen Rioja Wein am Lagerfeuer nachgedacht, wie ich es immer tue, und hatte jetzt eine Ahnung davon bekommen, wie wir den großen legendären Raub-Äschen in den tiefen Bergseen des Altai Gebirges in Zentral-Asien nachstellen würden...
|